SORGEARBEIT IST WEIBLICH – WARUM EIGENTLICH?
Mental-Load-Beraterin und Psychotherapeutin Barbara Schrammel vom Verein Frauen* beraten Frauen* erklärt, was es mit dem Phänomen Mental Load auf sich hat, warum gerade Mütter davon betroffen sind und wie Denkaufgaben sichtbar gemacht und fair verteilt werden können.
MAM: Was ist Mental Load und warum sind vor allem junge Eltern betroffen?
Barbara Schrammel: Unter Mental Load verstehen wir die psychische Belastung, die durch das Organisieren von unsichtbaren Alltagsaufgaben entsteht. Wir übersehen oft, dass hinter der geputzten Küche, dem gefütterten Baby und der gewaschenen Kleidung sehr viel Denkarbeit und Sorge stecken. Das Unsichtbare hinter all diesen Aufgaben ist eine geistige Belastung, also der Mental Load. Ein Baby stellt das Leben vollständig auf den Kopf und verändert den Alltag radikal. Dazu kommt, dass sich die Paar-Beziehung schlagartig verändert. Plötzlich kommt die Elternrolle dazu und das kann schon überfordern. Das erklärt, warum Eltern besonders von Mental Load betroffen sind. Wobei nach wie vor Mütter die Hauptlast tragen. Meistens sind die Alltagsaufgaben schon vor der Geburt ungleich verteilt und diese ungleiche Verteilung verstärkt sich mit einem Baby noch einmal.
MAM: Das heißt, die Verteilung des Mental Load verändert sich innerhalb von Beziehungen nicht, wenn ein Baby auf die Welt kommt?
Barbara Schrammel: Nach meiner Erfahrung eher nicht. Vor der Geburt geht es neben der Organisation des gemeinsamen Haushalts um Geburtstagsgeschenke für Familie und Verwandte, die Planung von Urlauben oder Familienfesten. Das fällt ja mit der Geburt eines Kindes nicht weg. Natürlich verschiebt sich der Fokus der Eltern auf die Bedürfnisse des Kindes, aber der Alltag, der davor da war, muss ja trotzdem weiter organisiert werden. In Österreich gehen immer noch vor allem Frauen in Karenz und übernehmen damit automatisch den Löwinnenanteil der Aufgaben. Der Elternteil, der seine Erwerbsarbeit unterbricht, fällt fast automatisch in die Rolle des Hauptverantwortlichen. Was davor schon ungleich verteilt war, wird nach der Geburt in den seltensten Fällen neu geordnet.
MAM: Bedeutet das also, dass vor allem Frauen von Mental Load betroffen sind?
Barbara Schrammel: Absolut. Die Ungleichverteilung kommt ja nicht von ungefähr und liegt vor allem an der kulturellen Prägung und unserer Sozialisierung. Wir schreiben das Jahr 2024 und in Österreich sind nach wie vor Frauen für den Haushalt zuständig. Das lebt uns die Gesellschaft von klein auf vor. Wir sozialisieren Mädchen und Buben unterschiedlich und das hat natürlich Auswirkungen auf das spätere Leben. Der kulturelle Anteil der Rolle der Frau ist nicht zu unterschätzen. Genauso wie die Wertschätzung der Care-Arbeit. Es ist ein ganz großes Problem, dass Care-Arbeit im Unterschied zur Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft nicht als Arbeit gewertet wird. Damit verfestigen wir Bilder aus dem letzten Jahrhundert, in dem der schuftende Mann abends von einer fürsorglichen Frau umsorgt werden will. Dass die Frau ebenfalls den ganzen Tag geschuftet hat und einen Feierabend braucht, um ihre Energien wieder aufzuladen, wird übersehen. Das erzeugt unglaublich viel Druck.
MAM: Wie können Eltern rechtzeitig erkennen, dass sie von Mental Load betroffen sind?
Barbara Schrammel: Mental Load ist ein schleichender Prozess, der oft mit innerer Unruhe beginnt. Wenn die Freude an Tätigkeiten abnimmt, weniger Zeit für die eigenen Bedürfnisse bleibt, Freundinnen vernachlässigt werden, sind das Anzeichen für einen Mental Load. Es ist wichtig, auf sich selbst zu schauen, sich zu spüren und Warnzeichen ernst zu nehmen.
Wissen über Mental Load und das Anerkennen, dass es in der eigenen Partnerschaft unfair verteilt ist, ist der wich¬tigste Schritt, um zu mehr Fairness zu gelangen. Eltern sollten alle Aufgaben in der eigenen Familie sichtbar machen. Das gelingt ideal über Mental-Load Tests, die man getrennt voneinander macht und anschließend Ungleichgewichte einfacher identifizieren kann. Danach gilt es, Aufgaben neu und eben fair zu verteilen. Kommunikation ist hier ein wichtiger Schlüssel. Wenn Eltern Termine und Aufgaben regelmäßig besprechen, schaffen Sie eine bewusste Basis und erleben sich mehr als Team.